Sonntag, 12. Februar 2017

Heroische Heroen - warum Batman der größte Held aller Zeiten ist

Batman ist cool. Batman ist der Held aller Helden. Kein Siegfried von Xanthen, kein Herakles, auch kein Lancelot können Batman das Wasser reichen. Warum? Weil ich in Frage stellen muss, ob die alten Heroen wirklich so heroisch waren.

Man sagt, Geschichte schreibe der Sieger und nicht anders ist es mit den alten Legenden. Dichter schrieben sie nieder, doch woher haben diese Dichter ihr Wissen? Schaut man sich die alten Sagen an, muss man zu dem Schluss kommen, dass es in keinem Fall die Aussagen von Augenzeugen waren, die von Homer & Co. in Schrift verewigt wurden. Es ist schlicht unmöglich, dass es so war.

Die Odyssee zum Beispiel gibt wieder, was Odysseus erzählte, nachdem er als einziger Überlebender seiner Mannschaft die Heimat erreichte. Wer kam mit Perseus zurück, nachdem er die Medusa erschlagen hatte? Niemand. Wer war bei Siegfried, als er den Drachen erschlug? Das Opfer der Tat. Der Drachen. Nur die Überlebenden, nur die Heroen der alten Sagen, können also die Story ihrer Heldentaten erzählt haben und sie erzählten sie natürlich so, dass sie in einem möglichst guten Licht dastanden.

Doch bleibt die Frage, wie gut dieses Licht bei genauer Betrachtung wirklich? Drehen wir das Licht etwas heller, damit wir es sehen können.
 
Beginnen wir mit… Perseus ist eine gute Wahl. Nicht Herakles (oder Hercules, wie ihn die Anglophonen und somit mehr und mehr auch wir nennen), denn Perseus war zuerst da. Er ist nebenbei Herakles‘ Ahne.

Was ist so besonders an Perseus? Welche große Tat vollbrachte er? Er tötete die Medusa. Ganz unreflektiert hieb er ihr den Kopf ab.

Nein, eigentlich nicht unreflektiert. Er wagte es nicht einmal, seinem Opfer in die Augen zu sehen, betrachtete nur ihre Reflexion im Inneren seines Schildes. Perseus dachte aber keinen Moment darüber nach, wer eigentlich unter seiner Klinge sterben sollte.

Die Geschichte in Kurzform: Prinz Perseus wuchs im Exil auf, weil ein Orakel seinem Großvater den Tod durch den Enkel prophezeite. Der König des Landes, in dem Perseus seine Kindheit und Jugend verbrachte, stieg Perseus‘ Mutter hinterher (was der Junge nicht mochte) und verlangte vom jungen Prinzen das Haupt der Medusa, damit der Junge aus dem Weg ist. Perseus, offenbar ein Vorfahre von Barney Stinson, sah den König an und sagte: „Herausforderung angenommen!“ Medusa war schließlich ein Ungeheuer, das zu töten eine ehrenvolle Aufgabe war. Ihr Blick ließ jeden Mann zu Stein werden. So etwas kann Mann doch nicht leben lassen!

Aber war sie wirklich das Monster? Die Kurzfassung:

Medusa war eine Gorgone, eine von drei Schwestern. Und sie war die einzige Sterbliche unter den Schwestern. Medusa war schön und Poseidon, Gott des Meeres und Bruder des Zeus, hatte eine Affäre mit ihr. Lag wohl in der Familie, sich auf uneheliche Techtelmechtel mit anderen (meist sterblichen) Frauen einzulassen.

Wie so oft blieb auch diese Affäre auf Dauer nicht unentdeckt. Das Paar machte den Fehler, sich in Athenes Tempel zu vergnügen. Dem großen Gott geschah dabei nichts. Auf Medusa war die Göttin der Weisheit aber so sauer, dass sie sie in das Monster verwandelte, als das die Gorgone uns überliefert wurde.

Ich glaube, wenn sie plötzlich Schlangen als Haare, einen schuppigen Leib und bronzene Arme hätte, würde sich auch Heidi Klum in die Einsamkeit zurückziehen und wenn alle Welt sie nur ihres Aussehens und eines Zaubers wegen, den sie selbst nicht zu verantworten hat, als abscheuliches und abstoßendes Wesen ansehen würde, verwandelte sich vermutlich selbst Mutter Theresas Herz zu Stein.

So stand es also um Medusa, das Wesen, das Perseus ohne Nachzudenken in den Hades schicken wollte. Eine tragische Figur mit einer tragischen Geschichte, der ein tragisches Ende beschieden sein sollte. Fragte Perseus danach? Nein, er beschloss einfach der Medusa Tod.

Was hätte Batman getan?

Batman hätte Medusa nicht getötet. Batman tötet nicht. Nein, Batman hätte sich Gedanken gemacht, wie er die Situation lösen könnte, ohne dass jemand das Leben verliert.

Batman hätte die Sehschlitze seiner Maske verdunkelt, hätte wahrscheinlich einen Helm mit elektronischer Sichteinheit und Displays benutzt. So könnte er Medusa in die Augen sehen ohne zu versteinern.

Batman hätte Medusas Hintergrund recherchiert, um keine Überraschungen zu erleben. Dabei hätte er ihre Geschichte erfahren, hätte ihre Tragik erkannt, die der Tragik seiner Entstehung in nichts nachsteht. Batman hätte nach einer Lösung gesucht. Erst dann wäre er ausgezogen, die große Queste zu erfüllen. Und nachdem er Medusa gefunden hätte, hätte sich vielleicht folgender Dialog abgespielt:

Medusa: Verschwinde oder stirb, Mensch!

Batman: Warte! Ich bin nicht Dein Feind.

Medusa: Ha! Schon Tausende Helden versuchten, mich zu töten! Du wirst es genauso wenig vollbringen!

Batman: Ich will Dich nicht töten, Medusa! Aber der König verlangt Deinen Kopf!

Medusa: Komm her, großer Held! Versuch, Dir meinen Kopf zu holen!

Batman: Ich komme nicht als Feind zu Dir! Der König will Deinen Kopf aber er sagte nicht, dass Dein Körper nicht mehr dran sein soll. Komm einfach mit mir! Ich verspreche Dir, wir werden einen Weg finden, Dich von Athenes Fluch zu erlösen.

Natürlich bestünde das Problem mit Medusas Blick aber eine Augenbinde könnte da Abhilfe schaffen. Der König würde Medusa enthaupten wollen, doch Batman würde erwarten, dass der König seinem Opfer dabei in die Augen sieht. Das würde der König nicht riskieren und so würden Batman und Medusa sich aus dem Staub machen.

Direkt zum Olymp. Göttervater Zeus würde von der Ungerechtigkeit berichtet und Poseidon müsste sich der Verantwortung stellen, seine Liebschaft im Stich gelassen zu haben. Sollte Zeus kein Erbarmen haben, müsste er sich – unsterblich oder nicht – Medusas Blick stellen (als Gott würde Zeus keine dauerhaften Schäden davontragen aber für den Augenblick zu Stein werden), bis er Athene befielt, den Fluch zurückzunehmen.

Aber Perseus ist nicht Batman. Er meuchelt Medusa und das war es. Seine „Heldentat“ forderte ein Opfer. Die Heldentaten der alten Heroen forderten immer Opfer.

Werfen wir einen Blick auf unseren blonden, blauäugigen und urteutonischen Superhelden Siegfried. Er wollte sich beim Burgunderkönig beweisen und zog aus, den Schatz der Nibelungen aus den Klauen des Drachen Fafnir zu stehl… zu erobern. Der Sieger spricht nie von Diebstahl, immer von Eroberung. Oder Befreiung. Siegfried wollte natürlich auch das Volk von Worms vom Drachen befreien.

Aber wer war Fafnir wirklich? Er war ein Zwerg, der den Schatz ursprünglich als Entschädigung für den Tod seines Bruders erhielt. Dabei wurde er aber selbst betrogen, denn Loki, der für die Beschaffung des Wergeldes verantwortlich war, besorgte verfluchtes Gold.

Wie Drachen es oft tun, wollte Fafnir seinen Schatz natürlich nicht freiwillig hergeben. Aber warum? Aus drachentypischer Gier (welch Vorurteil!)? Oder weil er sich im Recht glaubte, stand ihm das Gold doch für den Tod des Bruders zu?

Oder vielleicht aus gänzlich uneigennützigem Grund? Früher ein gutaussehender Zwerg war Fafnir nun zu einem grässlichen Ungeheuer verflucht. Sollte dieser Fluch nun einen anderen treffen? Reichte es nicht, dass sich einer mit diesem Fluch herumschlagen musste? Der junge Siegfried fragte nicht, schlug den „fürchterlichen“ Widersacher tot und bemächtigte sich unrechtmäßig des Goldes. Schlimmer noch: Er ließ den Drachen ausbluten und badete in dessen Blut. Wie barbarisch! Aber er bekam ja die Quittung.

Und Batman?

So wie Fafnir um sein normales Zwergenleben (und um das Leben seines Bruders) betrogen wurde, wurde Bruce Wayne durch den Mord an seinen Eltern um eine normale Kindheit betrogen. Es gibt Parallelen zwischen den beiden und Batman hätte sie gesehen.

Batman würde den Drachen nicht töten. Batman tötet nicht. Das Bad im Drachenblut hat er auch nicht nötig. Batman hat seine Rüstung.

Batman hätte den Drachen gefesselt und dann den Schatz zu König Gunther gebracht. Anschießend hätte er das Zeug in den Rhein gekippt, hoffend, die Abwesenheit des verfluchten Schatzes würde Fafnir auf Dauer erlösen.

Und der größte Unterschied zwischen Batman und Siegfried und Perseus: Batman braucht dafür keine Superkräfte. Perseus ist der Sohn des Zeus, ein Halbgott also. Er bekam den verspiegelten Schild von Athene, eine Tarnkappe, geflügelte Sandalen. Siegfrieds Vater ist ein Urenkel Odins. Er ist also auch göttlicher Abstammung und verfügt über Kräfte, die über die eines normalen Menschen hinausgehen.

Batman ist nur ein Mensch. Er ist clever, intelligent. Er ist gut trainiert. Er hat Hightech-Spielzeuge. Aber er ist nur ein Mensch. Batman kann nicht fliegen wie Superman. Er hat keinen Ring, der Dinge aus purer Energie erschafft. Alles was er tut, tut er mit den Mitteln eines einfachen Sterblichen. Und trotzdem besteht er sogar gegen gottgleiche Wesen.

Ja, Batman ist der größte Held aller Zeiten. Er ist es auch deshalb, weil er sich immer wieder selbst kritisch betrachtet und hinterfragt. Batman hat einen moralischen Kompass, den ich bei den alten Helden immer wieder vermisse.

Und Batman hat Humor. Er nimmt sich auch selbst nicht zu ernst. Und genau deshalb schaue ich mir in den nächsten Wochen auch Batmans aktuellen Kinoauftritt an. In LEGO.

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