Für einen Lord ist es eine heilige Pflicht, sich gelegentlich der
Kultur hinzugeben. Als Lord sollte man aber keine flache Kulturveranstaltung zu
besuchen. Nein, Sinn und Verstand soll die Kultur haben.
Sinn und Verstand hatte die Kultur, der ich mich heute
widmete.
Es entspann sich vor wenigen Tagen eine Diskussion, ob man
einen Film wie „Er ist wieder da“ machen dürfe, gebe man doch dem Österreicher
mit dem Schnurrbärtchen auf diese Weise unnötig eine Plattform. Als Lord und
erfolgsverwöhnter Poet denkt man natürlich etwas anders, etwas genauer und so
kam ich zu dem Gedanken, dass es in dem Film vielleicht gar nicht wirklich um
Hitler gehe. Ich glaube, ich hatte Recht.
Ja, ich sah den Film und ich wurde nicht enttäuscht. Für
die, die die Geschichte nicht kennen: Adolf Hitler wacht im Jahre 2014 (2012 im Buch zum Film) und
versucht, zu alter Größe zu kommen. Niemand glaubt, dass er ist, wer er ist,
alles wird für einen Witz gehalten. Ich gebe zu, bis dahin kann man auf den
ersten Blick gut diskutieren.
Doch ich hatte das Buch nicht wirklich kennend eine These:
die Story ist eine Satire auf uns, auf die heutige Gesellschaft. Und genauso
ist es. Herr Hitler geht durch die Straßen und die Leute wollen lemminghaft alle ein Foto mit
ihm. DAS SOZIALE NETZWERK quillt über von Selfieposts mit Hitler. Nach einem
Fernsehauftritt überschlagen sich die jungen „Stars“ der großen, marktführenden
Videoplattform – der Name wird genauso wenig erwähnt wie Facebook, aber es ist
klar, wer gemeint ist – mit Vlogs über den Mann mit dem Schnurrbart.
Und genau hier fangen die Probleme an, denn ich glaube,
dieser Teil der Geschichte beruht auf der Wahrheit. Stellen wir uns kurz vor, Hitler
würde tatsächlich in unserer Zeit auftauchen. Alles, was der Film zeigt, würde
geschehen. Der Schnurrbart würde eine Plattform erhalten, die ihm
eigentlich niemand geben sollte, die ihm die meisten Menschen gar nicht geben
wollen würden. Sie würden es trotzdem tun. Ohne Absicht.
Hitler würde wie im Film durch Deutschland reisen und die
Leute würden ihm folgen. Warum? Weil erschreckenderweise viele Dinge, die der
Filmhitler sagte, stimmen. Im Fernsehen retten Köche Restaurants. Gibt es
nichts Wichtigeres in dieser Welt? Kinderarmut, Altersarmut und
Arbeitslosigkeit sind ein Problem. Und man muss nur gezielt ein paar
Schlagworte fallen lassen und die Menschen fallen darauf rein.
Gehen Sie in der richtigen Gegend in ein Lokal und behaupten
Sie, die nötige Hilfe für Flüchtlinge würde von unseren hart erarbeiteten
Steuern bezahlt. Ein Sturm der Entrüstung bräche los, täten sie es. Ein Entrüstungssturm selbst von denen, die ihrerseits von Sozialleistungen leben und gar keine Steuern zahlen. Kein
Entrüstungssturm gegen Sie, ein Sturm gegen die „bösen Islamisten“, die hierher
fliehen.
Behaupten Sie, wir müssten unsere Heimat schützen, und
Tausende Menschen würden Ihnen auf Ihrem Kreuzzug für die Umwelt folgen. Ob
diese Menschen sich aber für die Umwelt in Amerika interessieren würden, halte
ich für fragwürdig.
Sagen Sie in der Öffentlichkeit im Brustton der Überzeugung,
im Fernsehen käme nur Schrott. Die Menschen würden Ihnen johlend zustimmen. Und
anschließend sähen sie Frauentausch oder die Geißens. Oder DSDS. Sie würden
sich dabei über diese schreckliche Sendung aufregen. Und in der nächsten Woche
sähen sie die nächste Folge.
Ja, das deutsche Volk ist bereit, Schlagworten zu folgen.
Wie erklärt man sonst die Wahlerfolge verschiedener Parteien? Was zum Beispiel
sagt die AfD im Wahlkampf aus? Sie bringt Schlagworte. Was lesen wir auf den
Wahlplakaten der großen Volksparteien? Schlagworte. Die Piraten? „Internet für
alle“ – Schlagworte. Der erste McDonalds-Burger mit Bio-Rindfleisch… Ein
Schlagwort. Ganz ehrlich, das Ding rettet nicht nur nicht die Welt, es stillt
auch den Hunger nicht mehr als jeder andere Burger. Es beruhigt nur das eigene
schlechte Gewissen, denn der Bioburger ist genauso ein Schlagwort wie
Homöopathie. Wenn man den Menschen sagt, ihr Kind brauche ein Smartphone, das etwas mit Obst zu tun hat, schließen sie einen Vertrag für das Kind ab und kaufen vielleicht gleich noch einen Mac. Denn das iPhone ist genauso ein Schlagwort.
Und genau dies zeigt der Film „Er ist wieder da“ auf
eindrucksvolle Weise. Er ist eine tolle Groteske, die uns zeigt, wie grotesk
wir selbst uns benehmen, wie grotesk wir selbst sind. Ehrlich, wir sind
grotesk. Ich selbst schüttle den Kopf darüber, dass die Menschen alles bei
Facebook posten und schüttle meinen Kopf in einem Blog, weil man heute eben alles auch in einen Blog schreibt. Ist schon irgendwie
bekloppt, oder?
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