Montag, 25. Januar 2016

Gates noch?

Habt ihr eigentlich schon vom Pen-Gate gehört? Ja? Na dann ist ja gut. Nein? Gut, hier die Kurzfassung:

Samsung hat einen Designfehler in der aktuellsten Version seines Phablets (das sind jene Smartphones in der Größe einer Brotscheibe), der dazu führt, dass wir unbedarften Nutzer den Stylus (das ist ein Stift, mit dem man auf dem Phablet schreiben kann, ohne das Display mit Tinte einzusauen) verkehrt in seine Halterung stecken können, was unter Umständen zu Schäden am Gerät führen kann.

Im Grunde ist das Ganze ein ziemlich konjunktives Designproblem, denn erst einmal muss der Stift verkehrt in die Halterung gesteckt werden und danach treten die Schäden scheinbar auch nicht immer auf. Ich hätte eigentlich schreiben müssen: "... in seine Halterung stecken könnten" und "... zu Schäden am Gerät führen könnte." Konjunktiv. Der arme Konjunktiv wird ohnehin viel zu oft mit den Füßen getreten. Doch darum geht es nicht. Es geht um das Pen-Gate.


Nein, ich habe nicht vor, auf Samsung herumzutrampeln. Einerseits hat Samsung den Desingfehler inzwischen behoben, andererseits könnte man postulieren, dem Nutzer sein zuzumuten, einen Blick darauf zu haben, wie er den verdammten Stift einsteckt. Es geht viel mehr um eine seltsame sprachliche Entgleisung unserer Zeit.

Es ist noch nicht lange her (2014 war's), dass Apple ein Problem mit seinem iPhone 6+ hatte. Es handelte sich um das erste iPhone, das man zusammenklappen konnte. Der Haken: Das Zusammenklappen funktionierte nur einmal. Niemand fragte, wo denn der Designfehler lag. War es das Verbiegen des Gehäuses? Oder war der Designfehler vielleicht, dass das Display dabei kaputtging?

Welches auch immer der Fehler war, das Problem (mit welchem der Kunde bei einem derart hochpreisigen Gerät wohl wirklich rechnen müssen sollte) wurde seinerzeit umgehen zum Bendgate (oder Bend-Gate) hochskandalisiert.

Dann war da noch die Fußball-WM 2014 und der Gauchotanz, den die Jungs in Berlin vorführten. Gaucho-Gate nannte man die Affäre. Und es gab noch viele ...-Gates, die mir gar nicht mehr wirklich präsent sind. Eigentlich lebte ich sogar schon in der Hoffnung, dass die ...-Gates ihre Hochzeit hinter sich haben und die sprachlichen Blüten über die ...-Gates hinaus sind. Falsch gehofft, denn das Pen-Gate ist da!

Ich frage: Warum?

HEX würde mir die Frage mit: "Deshalb!" beantworten. Aber HEX steht in der Unsichtbaren Universität in Ankh Morpork. Also müssen wir die Antwort auf die Frage, warum jede Kleinigkeit, wie unbedeutend sie vor den echten Problemen unser Zeit auch zu sein scheint, zu einem ...-Gate skandalisiert werden muss, selbstfinden.

Schlagworte... Schlagworte fallen mir dabei ein. Ich werde bei Gelegenheit mal ein Experiment wagen und im Fußballstadion laut: "THOOOOR!" brüllen. Mit TH natürlich. Wetten, die anwesenden Fans werden ob des Schlagwortes "THOR!" in Jubel ausbrechen, dann den Ball im Tor suchen und feststellen, dass das Spiel noch gar nicht begonnen hat?

Die Menschen stehen auf Schlagworte und natürlich ist es einfacher und besser über Gaucho-, Bend- und Pen-Gate zuberichten als über Flüchtlinge, denn bei Flüchtlingen kann man nicht neutral bleiben. Entweder zeigt man Probleme auf, die die Flüchtlinge haben, zeigt, dass man helfen muss, oder man berichtet über die Silvesternacht in Köln. Im ersten Fall wird man zum Gutmenschen gemacht, im zweiten Fall in die rechte Ecke gedrängt, da eine differenzierte Schlagzeilengestaltung schwierig ist und keine Quote bringt.

Trotzdem: Pen-Gate? Leute und Journalisten, muss den das sein? Worin liegt der eigentliche Skandal? Darin, dass Samsung einen leicht behebbaren Fehler gemacht hat oder darin, dass einige Menschen nicht die Gebrauchsanleitung lesen können?

Überhaupt: Was heißt Pen-Gate?

Ich fand eine Deutung, die einigermaßene Akzeptanz erhielt. Pen ist der englische Ausdruck für Stift, Gate der für Tor. Es ist also das Stift-Tor, wobei Tor metaphorisch für das kleine Löchlein steht, in das der Stylus gesteckt wird. Wenigstens, so unsinnig diese Deutung ist, gibt sie dem Pen-Gate einen gewissen Sinn.

Und alles nur, weil der Skandal um Herrn Nixon damals im Watergate-Hotel seinen Anfang nehmen musste. Hier ist nämlich das eigentliche Problem des ...-Gate. Nein, im Watergate-Skanal ging es nicht um Wasser! Watergate ist nur der Name eines Hotels. Wo also ist das Pengate-Hotel, das Bendgate-Hotel, das Gauchogate-Hotel..?

Und kann man Windows nach der ...-Gate-Nomenklatur als Bill-Gate(s) bezeichnen? Hätten die Apple-Mitarbeiter demnach Steve-Jobs? Oder gebührt der übergebührlichen ...-Gate-Berichterstattung vielleicht die Skandalisierung als ...-Gate-Gate? Und wann wurde eigentlich das NSA-Gate geschlossen?

Das Dritte ist dann noch das Sinnvollste, das Vierte steht steht immer noch offen und die Agenten gehen ein und aus. Also, liebe Journalisten:

  • Hört auf, Dinge zu skandalisieren! Berichtet einfach und lasst die Kunden entscheiden, ob sie ein iPhone wollen, das sich verbiegt, oder ein Samsung-Phablet, dessen Stylus man verkehrt in die Halterung stecken kann.
  • Hört auf, zwecks Skandalisierung unsinnige Affixe wie ...-Gate zu gebrauchen und abzunutzen. Das macht eure Schlagzeilen nicht spannender. Die Qualität der Berichterstattung sinkt dadurch noch mehr.
Euer Lord Mordred LXXIV.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen