Freitag, 29. Januar 2016

Lebe lieber ungewöhnlich

Ewan McGregor ist kein schlechter Schauspieler. Seine Darbietungen in "Illuminati" und "Männer, die auf Ziegen starren" waren gut gespielt, in "Die Insel" rettete er den Film sogar ein wenig vom Michael-Bay-Wahnsinn. Aber "Lebe lieber ungewöhnlich" eignet sich besser als Lebensmotto denn als Film. Eine seichte Romantik-Komödie, die nicht wirklich zündet.

Im Gegensatz zum echten Leben, wenn man ungewöhnlich lebt.

Wie lebt man ungewöhnlich? Ganz einfach: Man verhält sich nicht uniform. Gerade für einen Lord ist nichtuniformes Verhalten natürlich Pflicht. Sonst wird man nicht wahrgenommen.

Ein erster guter Schritt ist, sich anders zu kleiden als die Masse. So etwas fällt ins Auge und bleibt im Gedächtnis. Als Lord kleide ich mich zum Beispiel in stilvolles Schwarz. STILVOLLES Schwarz, nicht einfach schwarz. Einfach nur schwarze Kleidung kann jeder tragen. Stilvoll ist besonders.

Man denke nur an Steve Jobs. Was trug er? Einen schwarzen Pulli. Sehr unauffällig, aber dieses Bild blieb im Gedächtnis. Weil es stilvoll ist.

Johnny Cash, der Man in black - kann man sich Johnny Cash in beige vorstellen? Ich nicht.

Ich kleide mich also in stilvolles Schwarz. Langer, schwarzer Mantel, schwarzer Hut - mir fehlt noch das Texas-Ranger-Abzeichen. Ein Pförtner, der zu jenem Zeitpunkt erst ein paar Wochen bei uns arbeitete, begrüßte mich vor(!) der Tür mit meinem Namen. Beim Chinesen kennt man meinen Namen nicht, aber man kennt unseren Stammplatz. Offenbar hat das Outfit also einen gewissen Wiedererkennungswert, ist quasi Teil meiner "Corporate Identity". Ein Alleinstellungsmerkmal wie der spiegelverkehrte Schaltknüppel im Apple-Auto.

Aber es geht noch besser. Auffälliger.

Als Lord widmet man sich natürlich viel den geistigen Dingen dieser Welt. Das betrifft einerseits guten Single Malt, andererseits schließt dies auch das geschriebene Wort ein. Man liest also. Und zu lesen kann ebenso Aufmerksamkeit erhaschen wie stilvolles Schwarz.

Meine aktuelle Lektüre: "Steife Brise" von Terry Pratchett. Oder vielmehr "Snuff", wie das Buch im Original heißt, denn Pratchett ist im Original besser als in der Übersetzung. Wortspiele kann man nur schwer in eine andere Sprache übertragen, weshalb ich Sir Terry lieber im Original lese.

Gestern nun geschah es, dass ich das Dienstgebäude betrat und mein Buch noch von der U-Bahn-Fahrt in der Hand hielt. Ich wollte mich gerade anstellen, um meinen Büroschlüssel zu empfangen, als mich eine nette Dame ansprach.

"Oh! Terry Pratchett!"

Ich wusste nicht gleich, wie mir geschah. Es war zu früh. Ich lächelte also und bejahte schlicht.

"In English?" - Auf Englisch?

Ich bejahte auch dies.

"But You are German, aren't You?" - Aber Sie sind Deutscher, oder?

Mein inneres Lächeln wurde immer breiter, das äußere bliebt genauso freundlich wie vorher. Ich erklärte, dass Pratchetts Witze im Englischen besser seien, weil man Witze nicht wirklich übersetzen kann.

Natürlich sprach mich die Dame auch auf mein Äußeres an. Warum ich denn dieses Outfit trüge, fragte sie.

"'cause it's cool", antwortete ich freundlich lächelnd - weil es cool ist.

"And warm", entgegnete die Dame. Ich bestätigte diese Aussage, denn ich friere in meinem Mantel tatsächlich nicht.

Was sagt uns das? Um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, muss man einfach ungewöhnlich leben. Man kleide sich anders und trage ein englischsprachiges Buch mit sich herum. Das schafft Aufmerksamkeit und man wird von allerlei unterschiedlichen Menschen wahr- und aufgenommen. Denn es sind die Unterschiede, in denen wir alle gleich sind.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Also, da ich ja auch ein echter Schwarzträger bin, dies jedoch nur in normalem Schwarz tue fühle ich mich ja fast etwas angegriffen. Aber nur fast. Ich kann ja nicht negativ über das Auffallen reden, da ich durch die Raummenge die ich einnehme ja auch meist in Erinnerung bleibe. Jedoch (kein schöner Satzanfang) finde ich sollte man sich vor allem durch ein gewisses Maß an Ehrlichkeit und vor allem Treue zu sich selbst und seinen Entscheidungen den Leuten ein Bild von sich zeigen. Ich glaube das tun wir Beide und das ist auch gut so. Das mit dem ungewöhnlich kleiden liegt mir nicht so und das mit dem Buch wird auch schwierig. Zum Einen weil ich meist Kindle lese und zum anderen is my egg under all pig in the railstation. Nichts destotrotz glaube ich fest daran das wir alle Individuen sind und manche körperlich, andere durch ihr aussehen und andere durch ihr auftreten sich vom Rest hervorheben.

Unknown hat gesagt…

Weißt Du, Bro, ob Du normales oder stilvolles Schwarz trägst, spielt im Grunde keine Rolle, solange Du es nur trägst. Wir haben beide unsere Eigenheiten und stehen zu ihnen. Das macht uns beide ungewöhnlich, ob Du Dich nun so kleidest oder einfach so auftrittst.

Wichtig ist vor allem, dass man nicht macht, was andere wollen, schwarz trägt, obwohl alle sagen, man müsse doch etwas Farbe an den Tag legen, und einfach seinen Weg geht.

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